Gerade am Fest des Lebens Leben zu schützen Am 11.04.2020 um 09:54 schrieb Armin Laschet

An die Damen und Herren Mitglieder der CDU in Nordrhein-Westfalen

Liebe Freundinnen und Freunde,

seit 2000 Jahren feiern wir Christen das Osterfest. Die Auferstehung ist von fundamentaler Bedeutung für unseren Glauben. Die Osternacht, der Ostergottesdienst fanden immer statt, selbst in den Zeiten des Krieges. Gerade dann versammelten sich die Menschen zum gemeinsamen Gebet in den Kirchen. Mein Vater erzählte mir oft vom Bombenangriff auf meine Heimatstadt Aachen am 11. April 1944, an Ostern.

In diesem Jahr ist alles anders. Ostern ohne Gottesdienste – ein eigentlich unvorstellbarer Gedanke. Aber der Schutz vor Corona gebietet es, gerade am Fest des Lebens Leben zu schützen.

Viel haben die Landes- und die Bundesregierung in den vergangenen Tagen und Wochen unternommen, um die rasante Verbreitung des Corona-Virus einzudämmen. Dabei sind drei Ziele handlungsleitend:
• Wir müssen die Ausbreitung des Virus verlangsamen.

• Wir müssen die gewonnene Zeit nutzen, um unser Gesundheitssystem massiv auszubauen und mehr Wissen über das Virus zu generieren.

• Wir müssen heute schon an morgen denken, damit wir so schnell wie möglich wieder so normal wie möglich leben können. Der Blick auf die Zahlen zeigt: Das Infektionsgeschehen in unserem Land verlangsamt sich weiter.

Nordrhein-Westfalen steht bei der Zahl der an Corona-Erkrankten im Vergleich zu allen anderen Bundesländern relativ gut da. Das zeigt, dass unsere Maßnahmen wirken. Unsere Anstrengungen lohnen sich. Die Zahlen geben uns aber keinen Anlass zur Entwarnung. Das gilt gerade mit Blick auf die Ostertage für uns alle:

Das Kontaktverbot muss eingehalten werden. Auch an den Feiertagen müssen wir den direkten, physischen Kontakt zu Familie und Freunden vermeiden. Das ist schmerzlich gerade mit Blick auf den Besuch des Ostergottesdienstes und das Beisammensein im Familienkreis.

Auch beim Ausbau der Kapazitäten unseres Gesundheitssystems haben wir in Nordrhein-Westfalen große Fortschritte erzielt. Derzeit stehen 7.500 Intensivbetten zur Verfügung, davon fast 5.000 mit Beatmungsmöglichkeit. In den letzten Wochen sind über 1.300 Intensivbetten und davon über 750 mit invasiver Beatmungsmöglichkeit hinzugekommen.

In Nordrhein-Westfalen haben wir zudem mittlerweile 3,7 Millionen Schutzmasken verteilt. Unsere Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann und Jens Spahn in Berlin arbeiten unter Hochdruck an dem, was jetzt erforderlich ist.

Wir haben die durch die Verlangsamung des Infektionsgeschehens gewonnene Zeit also erfolgreich genutzt, um neue Intensiv-Kapazitäten aufzubauen und notwendige Schutzausrüstung zu beschaffen. Zum anderen müssen wir aber auch mehr über das Virus selbst, die Infektionsketten, Dunkelziffern und die Frage, wie und wo Menschen sich mit dem Virus anstecken, in Erfahrung bringen.

Die Landesregierung hat deshalb in der vergangenen Woche eine umfassende, repräsentative Studie in der Erstregion Heinsberg in Auftrag gegeben. Professor Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn, hat am Donnerstag bereits erste wichtige Zwischenergebnisse vorgestellt.

Heinsberg ist dem Rest Deutschlands in der Entwicklung zwei bis drei Wochen voraus. Bei einem Besuch im Krisenstab in Heinsberg unmittelbar nach dem ersten aufgetretenen Corona-Fall konnte ich mich davon überzeugen, dass Landrat Stefan Pusch Außergewöhnliches leistet, lange bevor das ganze Land von den Infektionen erfasst war. In diesen Tagen jetzt nach Heinsberg zu schauen, heißt, in die Zukunft zu schauen.

Das gilt für die Risiken bei der Ausbreitung dieses Virus ebenso wie für die Chancen bei seiner Überwindung und dem Wiedereinstieg in das soziale und öffentliche Leben. Damit bietet die Studie uns auch Anhaltspunkte für die Beratungen der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs der Länder in der kommenden Woche.

Gemeinsam werden wir beraten und entscheiden, wie es nach dem 19. April weitergeht. Eines ist klar: so, wie in den letzten drei Wochen, kann es auf Dauer in unserem Land nicht weitergehen.

Natürlich: Mit den aktuellen Maßnahmen lindern wir Leid an der einen Stelle. Aber wir schaffen auch Leid an anderer Stelle. Wichtige Operationen werden verschoben, das Kindeswohls leidet in prekären Familien, Depression und Angst vor Arbeitslosigkeit belastet Millionen Menschen, die in Kurzarbeit sind oder ihren Job bereits verloren haben.

Wir haben abzuwägen zwischen ethischen Dilemmata. Jede Entscheidung hat Folgen. Und für jede Entscheidung gibt es Alternativen. Zwar haben die vergangenen Wochen gezeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land bereit sind, sehr starke Einschnitte zu akzeptieren.

Aber diese Bereitschaft hat Grenzen. Dabei geht es nicht nur um das Wollen, sondern vor allem um das Können. Das gilt für Arbeitnehmer und für die vielen Unternehmen, Handwerker, kleinen Einzelhändler und viele mehr in unserer heimischen Wirtschaft.

Mit dem von uns gespannten 25 Milliarden NRW-Rettungsschirm können wir Härten schnell, unbürokratisch und wirksam abfedern. Aber wir dürfen niemals die Illusion wecken, der Staat könne durch Konjunkturprogramme, Staatsbeteiligungen oder Soforthilfen alles richten.

Das wird nicht funktionieren. Umso entscheidender ist es, dass wir jetzt Perspektiven und eine Aussicht auf eine Normalisierung aufzeigen. Die Menschen müssen einen Plan erkennen können. Mehr noch: Wir brauchen einen Fahrplan in eine verantwortungsvolle Normalität.

Deshalb habe ich in der vergangenen Woche einen Expertenrat mit 12 Experten aus unterschiedlichsten Disziplinen berufen. Dazu zählen Juristen, Ökonomen, Psychologen, Soziologen, Sozialarbeiter, Mediziner und Philosophen. Gemeinsam haben wir intensiv an einem Katalog von transparenten und nachvollziehbaren Kriterien gearbeitet, die für den Weg in die „verantwortungsvolle Normalität“ Orientierung geben.

Dabei wird es drei unterschiedliche Phasen geben:

• Erste Phase: Eindämmung. In dieser Phase befinden wir uns jetzt. Mit massiven Maßnahmen haben wir Bewusstsein geschaffen, um Zeit zu gewinnen, die Kurve abzuflachen, Kapazitäten auszubauen und Wissen zu generieren.

• Zweite Phase: Wiederbelebung des sozialen und öffentlichen Lebens. Nach der Eindämmung mit pauschalen Maßnahmen können wir nun anhand unseres neuen Wissens zielgerichteter und flexibler vorgehen – um das gleiche Ziel zu erreichen.

• Dritte Phase: Auf den Wiedereinstieg muss eine Phase der verantwortungsvollen Normalität folgen. Es geht um die Gleichzeitigkeit von Schutz auf der einen und Freiheit auf der anderen Seite.

Diese Phase wird länger andauern, darauf müssen wir uns schon heute einstellen. Wir finden uns aber zugleich in einer paradoxen Lage wieder:
Während wir heute schon über die Wiederbelebung des öffentlichen Lebens nachdenken müssen, stehen uns die Tage mit den höchsten Todeszahlen wohl noch bevor.

Umso entscheidender ist es, dass Politik schnell und zielorientiert den unterschiedlichen Herausforderungen gerecht werden. Wir haben in den vergangenen Tagen und Wochen gemeinsam so viel erreicht. Die Zwischenbilanz macht Mut und Hoffnung. Die Zwischenergebnisse unserer Vorbereitungen zeigen:
Der Weg in eine verantwortungsvolle Normalität wird mühsam, aber er ist möglich.

Das wird ein anderes, ein besonderes, vielleicht auch ein sehr bewusstes Osterfest:

Für jeden Einzelnen von uns, für unsere Familien – und für unser Land.

Umso schöner ist es, das große Engagement und die Solidarität der Menschen untereinander zu erleben. Zusammenhalt trotz Abstand.

Das zeigt zum Beispiel die Junge Union, die mit den Einkaufshelden (www.die-einkaufshelden.de) ganz tatkräftig Ältere und Risikopatienten unterstützt.

Danken möchte ich aber vor allem all denen, die für uns ständig, auch an den Osterfeiertagen im Einsatz sind: Den Ärztinnen und Ärzten, Krankenschwestern und Pflegern, Polizistinnen und Polizisten, Verkäuferinnen und Verkäufern und vielen mehr.

Ihnen und Ihrer Familie wünsche ich trotz allem ein frohes und gesegnetes Osterfest.

Lassen Sie uns gerade jetzt zusammenstehen. Lassen Sie uns durchhalten und zusammenhalten!

Bleiben Sie gesund!

Ihr

Armin Laschet
Landesvorsitzender der CDU Nordrhein-Westfalen

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