BerlInfos - Informationen aus Berlin - Henrichmanns Einblicke - Ihr Bundestagsabgeordneter informiert:
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Parteifreunde,
der Terroranschlag von Halle ist eine Zäsur. Die Tat muss politische, gesetzgeberische und gesellschaftliche Konsequenzen zur Folge haben. Hasskommentare und Mordaufrufe im Internet müssen nicht nur gelöscht, sondern auch den Sicherheitsbehörden gemeldet werden. Ich bin auch der Meinung, dass unsere Polizei und Sicherheitsbehörden mehr Instrumente benötigen, um Tätern im Netz auf die Schliche zu kommen.
Im Innenausschuss des Bundestags haben wir uns intensiv mit der Tat und dem Täter auseinander gesetzt. Auch darüber lesen Sie mehr in dieser Ausgabe der "Berlinfos"
Mit nachdenklichen Grüßen
Ihr
Marc Henrichmann
18. Oktober 2019Der Terroranschlag von Halle
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Parteifreunde,
der Terroranschlag von Halle auf eine Synagoge, bei dem zwei Passanten zu Opfernwurden, ist eine Schande für Deutschland. Der geständige rechtsextreme,antisemitische Täter hat zwei Menschen mit selbstgebauten Waffen getötet. Auf derFlucht, bei dem Versuch ein neues Fluchtauto zu kapern, hat er ein Ehepaar schwerverwundet. Es ist einer stabilen Eichentür an der Synagoge, denSicherheitsvorkehrungen und fehlender funktionierender Waffen zu verdanken, dassder Täter seinen perfiden Plan nicht in die Realität umsetzen konnte.
Im Innenausschuss des Bundestages haben wir uns am Mittwoch mit dem Attentatund den Hintergründen auseinandergesetzt. Der Täter hat angegeben, ohne Mittäterund Mitwisser gehandelt zu haben. Selbstverständlich werden unsereSicherheitsbehörden dies überprüfen. Der Täter hat sich selbst als „nichtsozialenMenschen“ bezeichnet, ohne Freunde und Bekannte. Vorwiegend lebe er im Internet.Nach bisherigen Erkenntnissen hat er sich die Waffe, die Munition und dieSprengladungen selbst hergestellt. Er benutzte dafür Grundstoffe, die er zumeistonline bestellte, einen 3-D-Drucker, Anleitungen zum Waffen- und Sprengstoffbauaus dem Internet und primitive Werkzeuge aus dem Schuppen seines Vaters.
Der Täter hat in seinem Geständnis das rechtsradikale und antisemitische Motivbestätigt. Seine Tat hatte er mit einer Handykamera gefilmt, den Amoklauf alsComputerspiel aufgezogen und live ins Internet gestellt. Sein Vorbild waren dieAnschläge in Neuseeland und in Norwegen. Er wollte möglichst viele jüdische Bürgertöten. Das Video wurde nach aktuellen Ermittlungen während des Tatvorgangs vondrei bis fünf Personen gesehen. In der Folge wurde es aber sehr häufig vervielfältigt.Eine dauerhafte Löschung wird sehr wahrscheinlich nicht möglich sein, obwohl diegroßen Internetfirmen, wie Google, Facebook und YouTube, alles unternehmen, umdas Video zu entfernen und ein erneutes Hochladen zu verhindern.
Gleiches gilt fürein Manifest, das der mutmaßliche Täter hochgeladen hat und in dem er dieHintergründe seiner Tat schildert. Die Tat ist eine Zäsur, die politische, gesetzgeberische und gesellschaftlicheKonsequenzen zur Folge haben muss.
Wir haben uns in Deutschland einVersprechen gegeben: „Nie wieder“. Nie wieder dürfen Menschen wegen ihrerÜberzeugung, ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer politischenEinstellungen Opfer von Gewalt werden. Diesem normativen Anspruch derBundesrepublik müssen wir gerecht werden. Das ist unsere Aufgabe. Mit Hinweis aufden NSU, auf den Mord an Walter Lübke und den Anschlag von Halle müssen wirselbstkritisch erkennen, dass wir noch sehr viel zu tun haben.Welche Reaktionsmöglichkeiten haben wir?Zuerst und zuvorderst müssen wir den Schutz jüdischer Einrichtungen, gemeinsammit den zuständigen Bundesländern, überdenken und gegebenenfalls verstärken.
Ichsorge mich zudem um die Diskussionskultur in unserem Land. Das gilt in besonders,aber nicht nur, für die vielen Hasskommentare im Internet. Nach derzeitigerGesetzeslage müssen die Betreiber von Internetseiten Hasskommentare raschlöschen. Ich spreche mich dafür aus, dass Provider zukünftig diese Straftaten – wirreden hier über Volksverhetzung oder den Aufruf zum Mord – unverzüglich an dieSicherheitsbehörden melden müssen. Die Sicherheitsbehörden gehen diesenHinweisen dann mit aller Konsequenz nach. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt werden personellund strukturell gestärkt.
Mit mehr als 740 zusätzlichen Stellen intensivieren wir denKampf gegen Rechts. Ich sehe aber weiteren Handlungsbedarf. Unsere Polizei undSicherheitsbehörden haben nicht die Instrumente, die sie brauchen, um Tätern imNetz auf die Schliche zu kommen. Verschlüsselte Seiten können nicht inausreichendem Maße überwacht werden. Wir brauchen im Verdachtsfall eineVorratsdatenspeicherung, um zu wissen: Wer hat wann mit wem onlinekommuniziert? Instrumente, die der Polizei bei realen Ermittlungen helfen, brauchenwir auch im Internet. Wir benötigen so etwas wie Online-Durchsuchungen. Wirmüssen wissen, was ein Beschuldigter im Internet tut und plant. Insofern verteidige ich auch die Äußerungen des Bundesinnenministers, wenn erKontrollen gegen kriminelle Computerspieler fordert. Es geht nicht darum, eineBranche pauschal zu verurteilen. Es geht darum, Recht und Gesetz durchzusetzen.Wenn auf Internetseiten zum Mord an Juden aufgerufen wird, wenn ComputerspieleGewalt verherrlichen, müssen unsere Sicherheitsbehörden die Möglichkeit haben,davon zu erfahren und den Autor solcher Aufrufe dingfest zu machen.
Ich habe wenigVerständnis für Datenschützer, die jetzt schon ihre Bedenken kundtun. Datenschutzdarf kein Täterschutz sein.Jeder spürt bei Diskussionen im Freundeskreis, in der Familie, am Arbeitsplatz oderin Vereinen, dass sich das gesellschaftliche Klima verändert. Wir alle müssen gegendie Verrohung der Sprache einstehen. Das ist ohne Zweifel mühsam. Gleichwohlkönnen wir es nicht tolerieren, wenn geistige Brandstifter pauschal von Lügenpresse,von „denen da oben“ sprechen, zu Straftaten aufrufen oder respektlos gegenPersonen wettern, die eine andere Meinung vertreten. Früher hat man gesagt, soetwas macht man einfach nicht.
Ich wünsche mir, dass wir diesen Satz wieder öftershören: „Das macht man einfach nicht“. In den kommenden BerlInfos werde ich immer wieder über die gesetzgeberischenReaktionen und die Lehren aus dem Terroranschlag von Halle berichten. Mich treibtdas Thema um. Gleichwohl möchte ich mit etwas Positivem schließen:
Am vergangenen Wochenende haben in Berlin mehrere 10.000 Menschen gegenAntisemitismus und Fremdenfeindlichkeit demonstriert. Viele haben an Synagogen imganzen Land Blumen niedergelegt und Kerzen angezündet und so ihre Solidarität mitjüdischen Mitbürgern zum Ausdruck gebracht. Das stimmt mich positiv.
Ich verbleibe mit nachdenklichen Grüßen aus Berlin
Marc Henrichmann
Marc HenrichmannMitglied des Deutschen BundestagesAbgeordneter für den Wahlkreis Coesfeld/Steinfurt IICDU/CSU-Fraktion im Deutschen BundestagMarc Henrichmann, MdB • Platz der Republik 1 • 11011 BerlinMitglieder der CDUim Wahlkreis Coesfeld/Steinfurt IIBerliner BüroUnter den Linden 71Raum 337Telefon030 227 – 79385Fax030 227 – 70385E-Mail:marc.henrichmann@bundestag.de